Yasmeen Lari

* 1940 in Dera Ghazi Khan, Pakistan

Architekturstudium in Oxford, Großbritannien

Projekte: Wohnbau, Bürogebäude, Masterplanungen für den Wiederaufbau nach Naturkatastrophen

Zur Person

Yasmeen Lari wächst in Pakistan in privilegierten Verhältnissen auf. Ihr Vater ist im damals noch britisch regierten Pakistan im öffentlichen Dienst tätig, ihre Mutter ist Hausfrau und Jägerin. Als Pakistan 1947 seine Unabhängigkeit erlangt, übernimmt ihr Vater als Ziviltechniker Stadtplanungsprojekte in Lahore im Osten des Landes.

Seine berufliche Tätigkeit sollte ihre Ausbildung prägen: Mit nur 15 Jahren wandert Yasmeen Lari nach Großbritannien aus, wo sie am Northern Polytechnic Institute in London und anschließend an der Oxford School of Architecture studiert. Nach dem Studium kehrt sie nach Pakistan zurück, um sich am Aufbau der noch jungen Republik zu beteiligen.

1964 gründet sie in Karatschi das Architekturbüro Lari Associates und gilt damit als erste weibliche Architekturschaffende Pakistans. Lange Zeit ist sie als Beraterin für die Unesco tätig. 1983 wird sie Vorsitzende des 

Pakistan Council of Architects and Town Planners (PCATP), seit 2018 ist sie Vorsitzende der pakistanischen Niederlassung des International Network for Traditional Building, Architecture & Urbanism (INTBAU)

Zur Arbeit

Am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn plant Yasmeen Lari die Wohnsiedlung Angoori Bagh in Lahore. Das Projekt macht sie auf einen Schlag bekannt. In der Folge erhält sie zahlreiche Aufträge von der öffentlichen Hand sowie von internationalen Konzernen und wohlhabenden Privatbauherren. In dieser Zeit entstehen das Finance and Trade Center, das Pakistan State Oil House sowie die Zentrale der niederländischen ABN Amro Bank.

Seit ihrer Pensionierung im Jahr 2000 macht sich Yasmeen Lari für die Ärmsten der Ärmsten stark: Gemeinsam mit ihrem Mann Suhail Zaheer Lari gründet sie die Heritage Foundation of Pakistan und widmet sich fortan der sogenannten „Barefoot Architecture“ in Krisenregionen.

Nach dem Erdbeben 2005 übersiedelt sie in den Norden des Landes, wo sie sich am Wiederaufbau beteiligt. Nach den großen Überschwemmungen des Indus 2010 erstellt sie Masterpläne und Bauanweisungen für mehrere Zehntausende Wohnhäuser aus lokalen Materialien wie Bambus, Ziegel und Lehm. Dieses Fachwissen wird als Open-Source für jedermann und jedefrau zur Verfügung gestellt – in Form von YouTube-Tutorials, die aktuell in mehrere asiatische und afrikanische Sprachen übersetzt werden. 

Wohnsiedlung Angoori Bagh, Lahore, Pakistan

1973 erhält Yasmeen Lari den Auftrag für eine soziale Wohnsiedlung in Lahore. Während im modernen Pakistan zu dieser Zeit vor allem Plattenbauten und Wohnhochhäuser entstehen, schockiert sie ihre Auftraggeber, indem sie vorschlägt, eine verdichtete, dreigeschoßige Stadtsiedlung zu errichten – mit überdachten Balkonen, offenen Stiegenhäusern und einigen großzügig zelebrierten Dorfplätzen. Sie erhält den Zuschlag und beschließt, das Geld nicht in teure Fassaden und perfekte Materialien zu investieren, sondern in die Ausstattung der insgesamt 787 Wohnungen sowie in die technische Infrastruktur.

Der ungewöhnliche Masterplan, der sich an der Bautradition Pakistans orientiert, hat einen immensen Vorteil: Durch die engen Gassen und die großflächigen Verschattungen entsteht innerhalb der Wohnsiedlung ein angenehmes, deutlich kühleres Mikroklima. Zudem konnten alle Häuser ohne internationale Fachkräfte – mit ausschließlich lokalen Handwerkern – errichtet werden.

Damit ist der Masterplan Angoori Bagh, der auch für den Aga-Khan-Preis nominiert war, ein früher Wegbereiter für sozial und kulturell nachhaltige Wohnsiedlungen und ressourcenschonende Low-Cost-Konzepte im städtischen und ländlichen Raum.